Darf ich trotzdem trauern?

Darf ich trotzdem trauern? Obwohl dieses mal kein Kind in mir gewachsen war? Ich wusste nicht, dass da keines war. Die Schwangerschaft war trotzdem echt. Obwohl bei der Zellteilung kein Kind entstanden war. Für meinen Körper war es eine ganz "normale" Schwangerschaft. Er wusste nicht, dass kein Kind in meinem Bauch wuchs, sondern nur die Plazenta. Das Organ auf Zeit. Das ausschließlich für den Zweck gebildet wird, das in unserem Körper wachsende, neue Leben zu versorgen. Das Organ, das für die Produktion des Schwangerschaftshormons zuständig ist. Für die morgendlichen Übelkeit. Für seltsame Essensgelüste. Für die plötzliche Abneigung gegen einen sonst beliebten Duft. Das Organ, das macht, dass sich eine Frau schwanger fühlt, war da und in vollem Einsatz. Die Freude auf das Baby im Arm war echt. Die meisten Pläne längst geschmiedet.


Und dann hieß es plötzlich: Es gibt kein Kind. Ätsch! Und auch wenn ich gerne behaupten würde, es wäre OK - das ist es nicht. Überhaupt nichts ist OK. Ich bin sehr traurig darüber, dass mein Körper mir diesen Streich gespielt hat. Darüber, dass ich mich von meinem Sommerbaby verabschieden musste, auch wenn es dieses in der Realität nie gegeben hatte. 


Und auch das Folgende würde ich gerne leugnen, kann es aber nicht: Jede Neuigkeit über neue Schwangerschaften und frische Babys macht mich traurig. Ich freue mich aufrichtig mit den werdenden und glücklichen Eltern. Aber zugleich führt es mir auch jedes mal wieder vor Augen, was ich schon zweimal nicht sein konnte: Eine vor Glück und Liebe übersprudelnde Mutter, die ihr gesundes, oder zumindest lebensfähiges, neugeborenes Kind im Arm hält.


Auf der anderen Seite durfte ich diese glückselige Mutter, die ihr gesundes Neugeborenes im Arm hält, aber auch schon zweimal sein. Und die Kleine kuschelt auch noch gerne und viel mit mir. Ihren (nicht mehr ganz so) kleinen Körper in meine Arme geschmiegt zu spüren ist sehr tröstlich. Gerade jetzt.


Dieses mal ist die Situation eine ganz andere als bei David. Dieses mal geht jeder seinem Alltag nach. Es gibt wenige Gespräche darüber, was gerade passiert ist, oder wie es uns damit geht. Dieses mal gab es ja auch kein echtes Kind. Im Grunde gab es sogar gar kein Kind. Noch nicht mal ein unechtes. Das vermittelt mir manchmal den Eindruck, ich dürfe nicht traurig sein. Müsse zufrieden sein, mit dem was ich habe. Müsse weiter funktionieren und im Takt weiter machen. Aber so funktioniert es nun mal nicht. Mein Körper hatte mir vierzehn Wochen lang signalisiert ich sei schwanger und würde bald ein Baby haben. Das lässt sich nicht mit einer ambulanten Operation und dem Gedanken "Dieses mal hat es nicht geklappt. Aber was soll's? Wir haben ja schließlich schon zwei gesunde Kinder." abhaken. Es braucht Zeit sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass die Zukunft nun doch erstmal anders aussieht als gedacht. Zeit sich vom Sommerbaby zu verabschieden. Zeit sich einer neuen, anderen Zukunft zuzuwenden. Zeit. Und in dieser Zeit ist auch Raum für Traurigkeit. Raum für Tränen. Denn jeder Abschied tut weh. Und das ist OK. Ich habe für mich festgestellt: Ja. Ich darf trotzdem traurig sein. Auch wenn mein Traum vom Sommerbaby nichts anderes war als das: Ein Traum. Aber ein schöner. 


Davids Mama



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Kommentare: 2
  • #1

    Bini (Dienstag, 20 März 2018 21:57)

    JA du darfst trauern, du musst trauern. Wenn dein Körper dich veralbert hat muss er jetzt auch aushalten wenn die Seele weint. Alles Gute und viel Kraft weiterhin für euch, LG

  • #2

    Mama (Freitag, 13 April 2018 19:06)

    Liebe Sandra,
    klar darfst du trauern. Es geht gar nicht anders. Es tut weh, auch wenn du versuchst, nicht traurig zu sein. Der Schmerz muss raus. Wie Schmutz aus der Wunde, damit sie heilen kann. Die .Tränen spülen den Schmerz raus aus der Wunde. Ich denk an dich und helfe spülen. Mama