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Abschied von der Familienkatze

Als meine Große und ich damals zu meinem  Mann gezogen sind, haben wir uns nach wenigen Wochen eine kleine Katze ausgesucht. Sehnsüchtig hatten wir damals gewartet, bis sie groß genug war, um von ihrer Mutter getrennt zu werden und bei uns einziehen konnte. Viel zu früh, schon mit sechs Wochen, kam unsere Mia zu uns, weil sie in ihrem Zuhause nicht mehr bleiben konnte. 


Nachts maunzte Mia kläglich. Sie wollte nicht alleine im Wohnzimmer bleiben. Aber beim Gedanken an Flöhe, die sie eventuell später ab und zu haben würde, wollten wir sie auch nicht unbedingt im Schlafzimmer haben. Abhilfe brachte schließlich eine wohltemperierte Wärmflasche unter einer kuscheligen Wolldecke. So fühlte Mia sich nicht so einsam und wir alle konnten schlafen. Mia wuchs und gedieh prima und war bald eine stolze, etwas verrückte Katze. So hasste sie beispielsweise den Geruch eines bestimmten Putzmittels, das ich eine Zeit lang verwendete. Immer wenn ich frisch gewischt hatte, setzte sie ihre Duftmarke in den Flur. Besonders hatte sie es auch auf die Füße unserer Großen abgesehen. Immer wenn diese barfüßig vorbei kam, stürzte sich die angriffslustige Katze auf ihre Füße. Unsere Große hat so manchen Kratzer davongetragen, was ihrer Liebe zu Mia aber keinen Abbruch tat. So ging es 13 Jahre lang. Mia wurde mit der Zeit ruhiger und verlor das Interesse an unseren Füßen. Sie trohnte auf ihrem Kratzbaum und kuschelte sich zu uns auf's Sofa um ihre Streicheleinheiten einzufordern. Dann ging sie wieder draußen auf ihre Streifzüge um mit ordentlichem Appetit und müde wieder nach Hause zu kommen. Stets strotzte sie nur so vor Gesundheit. 


Bis sie plötzlich innerhalb weniger Wochen rapide abbaute. Sie fraß wenig und schlief viel. Ihren Kratzbaum mied sie schließlich ganz und als sie plötzlich eine Art Anfall hatte und ihre Hinterbeine unter ihr nachgaben war uns klar, dass irgendetwas nicht stimmte. Wir fuhren mit ihr zum Tierarzt und ließen sie durchchecken. Es wurde Blut abgenommen und als die Ergebnisse da waren stand fest, dass Mia ernsthaft erkrankt war.


Innerhalb weniger Tage ging es Mia zusehends schlechter und nach einem Tierarztbesuch starb sie schließlich bei uns zuhause. 


Wir legten sie auf eine Decke und streichelten sie noch einige Minuten. Unsere Kleine kam gerade aus der Badewanne und deckte Mia mit ihrem Handtuch zu. Die Große fuhr los um eine Schachtel und Blumen für Mias Beerdigung zu kaufen. 


Unsere Kleine fragte mich, ob Mia jetzt bald wieder aufstehen und fressen würde. "Nein." sagte ich. "Mia ist gestorben. Sie kann nie mehr aufstehen." Die Kleine fragte weiter: "Wie der David? Wann sehen wir den David wieder?" Darauf konnte ich ehrlicherweise nur antworten, dass ich nicht sicher bin, aber sehr hoffe David nach meinem Tod wieder zu sehen. Aber ich würde bei ihr bleiben bis ich eine alte Schrumpeloma geworden bin und erst dann sterben. 


Als unsere Große mit der schönen weißen Schachtel zurück kehrte, legten wir Mia in diese hinein und deckten sie mit einem selbst bemalten Seidentuch zu. Auf die Frage meines Mannes, ob der Kopf auch zugedeckt werden soll, entschied unsere Kleine das Gesicht solle frei bleiben. So wurde es dann auch gemacht. Von den gehäkelten Herzen, die meine Mutter zu Davids Beerdigung angefertigt hatte, waren noch welche übrig und so legte die Kleine eins von jeder Farbe zu Mia in die Box. Wir verschlossen die Schachtel, suchten noch ein paar Sachen zusammen und fuhren alle zusammen in unseren Wald.


Dort suchten wir ein schönes Fleckchen aus, wo wir Mia in ihrer Schachtel begruben. Auf ihr Grab setzten wir zwei kleine Erikapflänzchen und legten noch einen kleinen Blumenstrauß darauf, den unsere Große zu diesem Zweck besorgt hatte.


Nach Davids Tod hatte unsere Kleine entschieden ihre Kleidung für ein paar Tage abzulegen und nur in Windel zu bleiben. Dies tat sie auch nach Mias Tod wieder. Außerdem fragte sie in den nächsten Wochen wieder öfter nach David und wann wir ihn wiedersehen würden und wie wir ihn wieder zurück bekommen könnten. Dazu fällt uns verstärkt auf, dass sie sehr an ihren Dingen hängt und am liebsten alles unverändert lassen möchte. So wollte sie nun unbedingt das kleine Tischchen wieder an ihrem Hochstuhl angebracht haben, welches wir längst abmontiert hatten.


Es gab ein paar Parallelen zu Davids Tod. Unsere Kleine hatte noch zu beiden Kontakt nachdem sie verstorben waren. Sie war dabei als beide in ihren Sarg gelegt wurden; auch wenn Mias Sarg nur eine Pappschachtel war. Aber sowohl Davids Sarg als auch Mias Box, waren beide weiß. David und auch Mia waren beide in eine Decke gehüllt und sie hatten die gleiche Anzahl an gehäkelten Herzen als Grabbeigabe mit in ihren Sarg bekommen. Unsere Kleine war dabei als die Deckel daraufgesetzt wurden und hat bei beiden miterlebt wie der Sarg, mit dem Körper darin, in die Erde kam. 


Dies alles bei Mia nochmals zu erleben hat bei ihr einiges wieder intensiv in Erinnerung gebracht. Wie der Rest der Familie ist auch unsere Kleine noch damit beschäftigt, Davids Tod zu verarbeiten. In ihrer kindlichen Art geht sie so toll mit diesem traurigen Thema um und auch wenn ich ihr von Herzen eine unbeschwertere Kindheit gewünscht hätte, so kann ich doch die Realität nicht verändern und würde dies auch nicht tun, selbst wenn es möglich wäre. Denn dies würde bedeuten, David niemals kennen gelernt und niemals diese grenzen- und bedingungslose Liebe erfahren zu haben. Und darauf möchte ich bei aller Schwere und aller Trauer beim besten Willen nicht verzichten. 


Davids Mama


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